Ob Oktoberfest, Restaurants oder die Hotellerie, seit 1867 ist der Name Schottenhamel eng mit der gastronomischen Geschichte Münchens verbunden. So war Christian Schottenhamel 1988, mit gerade 25 Jahren, der jüngste Wiesnwirt seiner Zeit. Als Wirt vom Nockherberg wurde er mit der Absage des Starkbierfestes von einem Tag auf den anderen von der Coronakrise voll getroffen. Als Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) kämpft er dafür, dass die Münchner Gastronomie möglichst nur mit einem blauen Auge davon kommt.
Christian Schottenhamel im Interview zur Coronakrise mit dem Barguide Team Amadeus Danesitz und Alex Wulkow:
Wie hat sich das angefühlt, als Sie plötzlich den Nockherberg zusperren mussten?
Christian Schottenhamel: „Unwirklich! Am 13. März 2020 sollte bei uns auf dem Nockherberg das Starkbierfest starten, drei Wochen lang mit ca. 2.500 Besuchern täglich im Schnitt. Stattdessen mussten wir das Geschäft schließen. Der Zustand ist ungefähr vergleichbar mit einer Vollbremsung bei 200 km/h auf der Autobahn. Da steht man unter Schock und muss sich erst mal sammeln. Bis einem das wahre Ausmaß bewusst wird, das dauert!“
Als Dehoga-Kreisvorsitzender München herrscht für Sie aktuell sicher Alarmstufe rot. Wie sieht es aus?
Christian Schottenhamel: „Das Gastgewerbe war die erste Branche, die von den Beschränkungen betroffen war, und wir sind die Letzten, die wieder öffnen dürfen – Zeitpunkt und Umstände noch völlig offen. Für unsere Branche geht es ans Eingemachte. Klar herrscht da Alarmstufe rot! Im Moment nehme ich an einer Sitzung und Besprechung nach der anderen teil, natürlich rein virtuell. In Krisenstäben und Arbeitsgruppen erarbeiten wir Konzepte und kämpfen für das Überleben unserer Branche. Vielen Betrieben steht das Wasser wirklich bis zum Hals!“
Eine der Forderungen von Seiten der Gastronomie ist der niedrigere Mehrwertsteuersatz von 7%. Erklären sie das bitte mal genauer. Was sind die Vorteile?
Christian Schottenhamel: „Prinzipiell kämpft der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA schon lange für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf alle Lebensmittel. Konkret geht es uns dabei um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der klassischen Gastronomie, in der Speisen frisch zubereitet und serviert werden. In Zeiten der Corona-Krise ist die Steuersenkung eine echte finanzielle Entlastung der Gastronomie und es verbleibt konkret mehr Geld in den Kassen, das die Betriebe im Moment dringend benötigen. Alles andere, wie Stundungen und Kredite, helfen nicht konkret, sondern verschieben die finanziellen Probleme nur auf einen späteren Zeitpunkt.“
Warum dann jetzt 7 % nur aufs Essen? Und was halten Sie von der temporären Herabsetzung?
Christian Schottenhamel: „Der aktuelle Beschluss ist ein Etappenerfolg. Bars und Clubs gehen aber zum Beispiel wieder leer aus. Wir stellen uns zudem die Frage: Warum die Maßnahme erst zum 1. Juli greifen soll? Dürfen wir vorher nicht öffnen? Und wer weiß, ob die definierte Dauer der Maßnahme ausreichen wird, um die Einbußen der Krise wenigstens halbwegs zu kompensieren?“
Sie mussten 2020 einige Tiefschläge hinnehmen. Restaurants geschlossen, Hotel geschlossen, Veranstaltungen bis spätestens August verboten, Starkbierfest abgesagt und jetzt auch kein Oktoberfest. Wie kann man da noch als Gastronom positiv in die Zukunft schauen?
Christian Schottenhamel: „Ich bin von Natur aus Optimist und versuche, mir immer eine positive Haltung zu bewahren. Die Situation trifft ja nicht nur mich, sondern die ganze Branche. Am meisten Sorgen mache ich mir um die Mitarbeiter, bei denen das Kurzarbeitergeld kaum für die Miete reicht, auch deshalb, weil sie eigentlich zu einem großen Teil von Trinkgeldern leben.
Ich bin immer noch überzeugt, dass wir die Phase der Einschränkungen in absehbarer Zeit zumindest zu einem Teil überwunden haben werden. Wir sollten unsere Energie in die Planung unserer Zukunft stecken und nicht im Selbstmitleid ertrinken, auch wenn man im Moment Grund genug dazu hätte.“
Wie sehr wird sich die Münchner Gastro-Landschaft wegen der Pandemie verändern?
Christian Schottenhamel: „Das hängt davon ab, wie lange dieser Zustand noch anhält. Aber es werden Betriebe aus unserer gastronomischen Landschaft verschwinden, das ist bereits sicher, auch wenn der Effekt durch Stundungen erst später eintreten wird.
Die aktuellen Beschränkungen wirken zudem wie ein Katalysator für den Bereich der Systemgastronomie und für Fastfood-Anbieter, die deutlich weniger hart betroffen sind. Der Trend zu schnellem, vorproduziertem Essen wird hier bestärkt, der bereits vor Corona zu verzeichnen war. Ein gesünderer Lebensstil und die Gesundheit der Bevölkerung werden dadurch aber sicher nicht gefördert.
Die größten Befürchtungen habe ich für den Personalsektor. Es war in den letzten Jahren bereits schwierig, genügend und vor allem gutes, qualifiziertes Personal und Nachwuchs für die Branche zu finden. Die aktuelle Not der Mitarbeiter/innen des Gastgewerbes ist leider keine Werbung für unsere Berufe.“
Was nehmen Sie persönlich für Ihre Betriebe mit aus dieser Krise?
Christian Schottenhamel: „Wir spüren gerade jetzt die enge Verbundenheit unserer Mitarbeiter/innen mit dem Betrieb. Das gibt uns Hoffnung für die Zeit der Wiedereröffnung und das gute Gefühl, hier wirklich mehr als nur einen Betrieb geschaffen zu haben.
Gleiches gilt für die Branche. Man spürt eine starke Solidarität untereinander, obwohl die Gastronomie in München sonst durchaus hart umkämpft ist. Wir alle stehen mit unseren Betrieben für gesellschaftliches Miteinander und Lebensfreude. Bei uns wird gefeiert, geheiratet, der Partner fürs Leben getroffen, getagt, debattiert oder auch getrauert. Wir stehen für all das, was uns Corona zurzeit verwehrt. Und dafür kämpfen wir, alle gemeinsam.“
Weitere Interviews: https://www.barguide-muenchen.com/im-gespraech
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